Kenneth Whitelaw, Head of Global Program Management F&A
Nur wer die genannten Herausforderungen annimmt und sich anpasst, kann in Lebensmittelsektor und Agrarbranche wettbewerbsstark und nachhaltig wachsen. Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse sind innovative Ansätze erforderlich, die es ermöglichen, Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. 2022 nannten 35 Prozent der befragten Landwirte Wetter- und Klimaereignisse als größte Risiken für ihre Umsätze, 2024 stieg diese Zahl auf 41 Prozent. Viele Experten argumentieren, dass klimaresistente Pflanzensorten wie trockenheitstolerante Kichererbsen, früh reifende Sojabohnen oder krankheitsresistente Reissorten6, die praktikabelste Option zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels darstellten, insbesondere in gefährdeten Regionen weltweit. Eine weitere Option ist eine klimaintelligente Landwirtschaft, die etwa Fruchtwechsel mit Hülsenfrüchten, Mulchen, keine oder minimale Bodenbearbeitung, die Verwendung von Kompost/organischem Dünger und die Anpflanzung von stickstoffbindenden Bäumen als Windschutz umfasst.7
Die zweitgrößte Herausforderung sind die gestiegenen Preise für Betriebsmittel wie Dünger und Pflanzenschutzmittel, die laut McKinsey-Studie „Global Farmer Insights 2024“ für 48 Prozent der Landwirte die größte Sorge darstellen. Um die gestiegenen Kosten in den Griff zu bekommen und den Gewinn zu halten, zeigen sich immer mehr Landwirte offen für Anpassungen und Innovationen. Das zeigt sich etwa daran, dass sie neue Produkte zur Ertragssteigerung ausprobieren, neue Pflanzenschutzmittel einführen oder innovative Geräte und Technologien kaufen. In den USA ist die Akzeptanz prozessbezogener Technologien am höchsten: 61 Prozent setzen hier auf digitale Agronomie, 51 Prozent auf Präzisionslandwirtschaftsgeräte und 38 Prozent auf remote Sensortechnologien8. Aber auch weltweit gehören digitale Agrartools und Präzisionshardware für die Landwirtschaft zu den wichtigsten Technologien diesbezüglich. Sie spiegeln zugleich den Trend zur Digitalisierung in der Lebensmittelindustrie und in angrenzenden Wertschöpfungsstufen wider.
Digitalisierung in der Lebensmittelindustrie: Innovative Technologie unterstützt nachhaltige Praktiken
Technologische Fortschritte beschleunigen die Einführung nachhaltiger Praktiken in der Lebensmittel- und Agrarindustrie signifikant. Sie ermöglichen einen effizienteren Einsatz von Wasser, Düngemitteln und Pestiziden und helfen den Landwirten, die Umweltbelastung zu verringern und gleichzeitig die Produktivität zu sichern. Eines der besten Beispiele ist die Präzisionslandwirtschaft, die Landwirte unterstützt, genauste Mengen an Betriebsmitteln einzusetzen und so die Qualität und Produktivität der Erträge zu optimieren. Sie setzt auf den Einsatz von Satelliten und Drohnen zur Berechnung von Parametern wie Vitalität, Wasserstress und Chlorophyllmenge. Hinzukommt eine anschließende Erstellung von Karten, die den variablen Einsatz von Düngemitteln und anderen Betriebsmitteln erleichtern.9
Automatisierung und Robotik sind ein weiterer Trend, der dazu beiträgt, den Mangel an Fachkräften in der Landwirtschaft zu adressieren, insbesondere in großen Betrieben. Auch die Automatisierung in der Lebensmittelindustrie nimmt zu. Spezielle Roboter übernehmen Aufgaben wie Pflücken, Pflanzen, Umpflanzen, Ernten, Säen, Sprühen oder Jäten. Betriebe setzen innovative Landmaschinen ein, darunter autonome und halbautonome Traktoren mit Autolenkungstechnologie, die Ernte und Navigation rationalisieren. Zu den fortschrittlichsten Technologien gehören Lösungen für die autonome Ernte und Navigation auf den Feldern. Hinzukommen Roboter mit Stereokameras, um frisches Obst und Gemüse anhand von Größe und Reifegrad zu erkennen und zu ernten. Solche Entwicklungen stehen exemplarisch für Industrie 4.0 in der Lebensmittelindustrie, bei der vernetzte Systeme und Daten die Effizienz deutlich erhöhen.
Traditionelle Anbaumethoden führen häufig zu langfristiger Bodenerosion. Die regenerative Landwirtschaft konzentriert sich hingegen auf die Minimierung von Bodenstörungen und die Förderung der biologischen Vielfalt im Boden, um den Mutterboden zu verjüngen. Dieser nachhaltigere Ansatz umfasst Techniken wie Direktsaat, reduzierte Bodenbearbeitung, Fruchtfolge und Deckfruchtanbau, die im Zusammenspiel die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit des Bodens verbessern können. So trägt etwa der Anbau von Deckfrüchten während der Brache zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit bei, indem er den Boden vor Erosion schützt. Außerdem fördert die regenerative Landwirtschaft die Kohlenstoffbindung auf den Feldern und verwandelt sie in Kohlenstoffsenken. Dies trägt dazu bei, dass weniger Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt und die Auswirkungen des Klimawandels vermindert werden. Durch derartige Methoden und Technologien können Landwirte nachhaltigere und produktivere landwirtschaftliche Systeme schaffen. Das ist ein wichtiger Baustein für nachhaltige Lebensmittelproduktion und für mehr Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie.
Ernährungstrends: Verbraucher wünschen individuelle und lokale Produkte
Die Bedeutung von Trends hinsichtlich der Verbrauchernachfrage wie etwa der Konsum lokaler Lebensmittel oder eine individualisierte Ernährung nehmen weiter zu. Die Entwicklung zu lokalen Lebensmitteln ist zwar kein neuer Trend, aber immer mehr Verbraucher unterstützen diese Idee. Sie wählen Produkte, die in der Nähe des Ortes, an dem sie gekauft werden, angebaut und geerntet werden, was oft im Gegensatz zum Mainstream-Lebensmittelsystem steht.10 Der vermehrte Kauf lokaler Produkte geht oft einher mit einer Vorliebe für gesündere Lebensmittel, die mit minimalem Einsatz von Pestiziden und Chemikalien angebaut werden. Sie werden auch als ökologisch nachhaltiger angesehen, da lokal erzeugte Lebensmittel kürzere Wege zurücklegen und in der Regel mit weniger intensiven Methoden angebaut werden. Solche Food Trends in Deutschland zeigen, wie stark Nachhaltigkeit und Regionalität die Nachfrage prägen.
Ein weiterer Trend ist personalisierte Ernährung, da Verbraucher ein immer bewussteres Essverhalten zeigen. Hierzu können etwa auf Nutrigenomik basierende Diäten (bei denen Reaktionen auf Lebensmittel auf genetischer Veranlagung beruhen11) sowie individuelle Vorlieben wie beispielsweise zuckerfreie Produkte gehören. Ernährungstrends in Deutschland entwickeln sich dabei in Richtung Individualisierung, Gesundheit und Transparenz. Da die Erfüllung spezifischer Produktanforderungen und die Gewährleistung gleichbleibender Qualität diesbezüglich im Fokus stehen, ist die aktuelle Forschung im Bereich des 3D-Lebensmitteldrucks auf groß angelegte Produktion ausgerichtet. 3D-Druck kann Herstellungsabläufe vereinfachen, Kosten senken und Unternehmen der Branche in die Lage versetzen, personalisierte Produkte in großem Maßstab zu liefern, ohne dass zusätzliche Werkzeuge oder Betriebskosten erforderlich sind.
Lebensmittelindustrie und Agrarwirtschaft sind aktuell tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Extreme Wetterereignisse und steigende Betriebsmittelkosten machen diese Herausforderungen noch komplexer. Um robuste und effiziente Nahrungssysteme aufzubauen, führt an der Einführung nachhaltiger Praktiken kein Weg vorbei. Diese Bemühungen werden durch innovative Technologien und datengesteuerte Lösungen beschleunigt. Digitalisierungen und Automatisierung in der Lebensmittelindustrie sind dabei entscheidende Treiber entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Hinzukommt, dass Verbraucher zunehmend Trends prägen, indem sie beispielsweise nachhaltige und lokal erzeugte Produkte fordern. Betriebe müssen diese Trends kennen und immer auf dem Laufenden bleiben, denn nur dann können sie wettbewerbsstark agieren und eine nachhaltige, sichere Zukunft für die weltweite Nahrungsmittelproduktion gewährleisten.
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Sources:
- Climate Change Regulatory Actions and Initiatives | US EPA
- The European Green Deal - European Commission
- Blockchain revolution in food supply chains: A positive impact on global food loss and waste – ScienceDirect
- What is the Internet of Things (IoT)? | IBM
- 10 Emerging Food Industry Trends in 2025 | StartUs Insights
- Climate-Resilient Crop Varieties: Why You Should Consider Climate-Smart Agriculture
- Frontiers | Editorial: Increasing resilience and adaptability to climate change of vulnerable groups in agriculture
- Voice of the global farmer 2024: Farmer survey | McKinsey
- Uncover the Top 10 Agriculture Trends for 2025 | StartUs Insights
- Local Food Movement: Everything You Need to Know – - EcoWatch
- What is Nutrigenomics? How Your Genes and Diet Interact for Health - Genes Wellness
FAQs
Was versteht man unter der Digitalisierung der Lebensmittelbranche?
Unter der Digitalisierung der Lebensmittelindustrie versteht man den Einsatz digitaler Technologien, um Abläufe vom Acker bis ins Regal effizienter und transparenter zu steuern. Dazu gehören zum Beispiel vernetzte Systeme, Datenanalysen oder digitale Qualitätskontrollen. So lassen sich Prozesse besser planen und Ressourcen gezielter einsetzen.
Warum wird Automatisierung für Lebensmittelhersteller immer wichtiger?
Die Automatisierung in der Lebensmittelindustrie hilft dabei, gleichbleibende Qualität zu sichern und Produktionsschritte schneller und zuverlässiger umzusetzen. Gleichzeitig entlastet sie Mitarbeitende bei repetitiven oder körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten. Dadurch können Betriebe Kosten und Ausfälle reduzieren.
Welche Aufgaben übernehmen Roboter in der Lebensmittelverarbeitung?
Roboter in der Lebensmittelindustrie kommen etwa beim Sortieren, Verpacken oder bei der Qualitätsprüfung zum Einsatz. Sie arbeiten sehr präzise und können empfindliche Produkte schonend handhaben. Das steigert Effizienz und verringert Fehlerquoten.
Was bedeutet Industrie 4.0 für die Lebensmittelindustrie?
Mit Industrie 4.0 in der Lebensmittelindustrie ist die intelligente Vernetzung von Maschinen, Daten und Prozessen gemeint. Anlagen tauschen Informationen in Echtzeit aus und passen Produktionsschritte automatisch an. So werden Abläufe flexibler, sicherer und wirtschaftlicher.
Wie unterstützen digitale Lösungen nachhaltige Lieferketten?
Durch eine digital vernetzte Lieferkette der Lebensmittelindustrie wird die Rückverfolgbarkeit verbessert und der Warenfluss effizienter gesteuert. Das fördert die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie, weil Verluste reduziert und Ressourcen gezielter genutzt werden. Insgesamt wird die Produktion damit transparenter und umweltfreundlicher.